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Dachkonstruktion als hyperbolisches Paraboloid

Die Alster-Schwimmhalle in Hamburg (Hohenfelde, Sechslingspforte) wurde ab 1963 geplant, ab 1968 gebaut und 1973 eingeweiht. Sie stellt eine der ersten Realisierungen einer großen Dachfläche als Hypar-Fläche dar.

Die Dachfläche ist zusammengesetzt aus zwei Teilstücken eines hyperbolischen Paraboloids (Hypar); während der Umbauarbeiten 2021 konnte man (wie damals beim Bau) die Form des Daches sehr gut erkennen (siehe Bild 1, Bild 2 und Bild 31).

Alster-Schwimmhalle 2014
Bild 1: Die Alster-Schwimmhalle in Hamburg, Zustand 2014
Autor: hh oldman
Lizenz: Creative Commons Attribution 3.0 Unported
Alster-Schwimmhalle im Umbau 2021
Bild 2: Die Alster-Schwimmhalle in Hamburg, Umbauzustand August 2021
Autor: Uwe Rohwedder,
Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International

Umbau/Renovierung 2021-23

Über die Arbeiten informiert die Betreiberin Bäderland Hamburg GmbH auf der Seite www.baederland.de/baeder/standorte/alster-schwimmhalle/ (Stand November 2024) mit interessantem Material auch zur Baugeschichte, zur Umbauplanung, und zu Einzelheiten des Umbaus. Inzwischen ist das Bad wieder eröffnet.

Beschreibungen

Aus der Beschreibung auf einer Seite von schlaich bergermann partner:

Das komplette Dach [...] ist auf nur drei Punkten gelagert. Es besteht aus zwei aneinander gelehnten Hypar-Spannbetonschalen, die weit über die Fassade hinausragen. Entlang aller Schalenränder – also auch entlang der mittleren Kehle – verdickt sich die nur 8 cm dünne Schale stetig und geht so kontinuierlich in die dreieckigen Randträger über, die maximal 54 m von den Stützen auskragen. Mitte der 1960er Jahre war eine gleichmäßige Unterstützung der Randträger mit dünnen Stützen üblich. Die Lösung bei diesem Projekt bestand allerdings darin, die Schale selbst zur Lastabtragung der Randträger heranzuziehen: Die Eigengewichtlasten bewirken Membranschnittkräfte entlang der geraden Erzeugenden, welche am gegenüberliegenden Rand in gleicher Höhe wieder abgenommen werden müssen. Dies kann durch ein Seilsystem abstrahiert und ebenso berechnet werden. So können sich gleich große Eigengewichtslasten gegenüberliegender Ränder im Gleichgewicht halten.

[Siehe Das Hyparschalen-Dach des Hallenbades Hamburg Sechslingspforte]

Das Dach ist zusammengesetzt aus zwei zu einander spiegelbildlichen Ausschnitten aus einem hyperbolischen Paraboloid (siehe Bild 3).

Solch ein hyperbolisches Paraboloid enthält zwei Scharen von Geraden (siehe Bild 4).

Leonhardt und Schlaich beschreiben das Dach mit den Worten
Von den je zwei Tief- und Hochpunkten der die Einzelschalen berandenden windschiefen Vierecke sind die Tiefpunkte \(B\) beiden Schalen gemeinsam; sie liegen mit den Tiefpunkten \(A\) und \(A'\) auf derselben Höhe und bilden die drei Lagerpunkte der Gesamtschale. [...] Die Mittelfläche läßt sich als Regelfläche dadurch konstruieren, daß zwei gegenüberliegende Ränder in gleich viele gleiche Teile unterteilt und entsprechende Punkte durch Gerade, die Erzeugenden, verbunden werden (s. Bild 4). Dieser baupraktische Vorteil der Hypare erlaubt bei kleinen Schalen das Einrüsten mit geraden Hölzern. Er geht bei großen Schalen, wie der hier beschriebenen, teilweise [...] verloren [...]

Übersichtsplan des Daches Bild 3 aus Leonhardt-Schlaich.
Geometrie der Einzelschale Bild 4 aus Leonhardt-Schlaich.

Die einfachste mathematische Beschreibung der Schalenmittelfläche lautet \(z=k\cdot x\cdot y\). Darin steht die \(z\)-Achse rechtwinklig auf dem schiefwinkligen Koordinatenkreuz \(x\), \(y\). Die Richtung der \(z\)-Achse ist die Projektionsrichtung, in der das berandende windschiefe Viereck \(ABCD\) als Parallelogramm erscheint. Die \(x\)- und \(y\)-Achsen verlaufen in dieser Projektion parallel zu den Rändern des Parallelogramms bzw. zu den Erzeugenden. Um die Richtung der \(z\)-Achse, den Koordinatenursprung, den Winkel \(\omega\) zwischen der \(x\)- und \(y\)-Achse und das Verwindungsmaß \(k\) zu finden, wird nach Bild 4 verfahren [...]
— Im Längsschnitt, Bild 4c, ist die \(z\)-Achse parallel zur Verbindungslinie zwischen dem Mittelpunkt der Strecke \(CD\) und den hier zusammenfallenden Tiefpunkten \(A\) und \(B\). Sie ist unter \(25^\circ \, 47’\) gegen die Vertikale geneigt.
— Damit kann das Parallelogramm Bild 4d als Projektion der Schale in \(z\)-Richtung konstruiert werden, aus dem der Winkel \(\omega = 77^\circ \, 27’\) ablesbar ist.
— Der Koordinatenursprung wird im Scheitelpunkt der im Längsschnitt Bild 4c tangential zu \(AC\) und \(AD\) in \(C\) und \(D\) einmündenden Parabel ermittelt. Er liegt knapp neben dem Hochpunkt \(C\).
Aus der Gleichung \(z = k \cdot x^2\) dieser Parabel folgt das Verwindungsmaß \(k = - 0,01657 \, \mathrm{m}^{-1}\).
Die Gleichung der Mittelflächen der beiden Einzelschalen lautet damit \( z = - 0,01657 \cdot x \cdot y\).
Der wahre Winkel \(\alpha\) in jedem beliebigen Punkt \(x, y\) der Schalenmittelfläche zwischen zwei sich schneidenden Erzeugenden kann aus
\(\displaystyle \cos\alpha = \frac{k^2\cdot x\cdot y + \cos\omega}{\sqrt{(1+k^2x^2)(1+k^2y^2)}}\)
ermittelt werden und bewegt sich hier zwischen \(73^\circ \, 05’\) am Hochpunkt \(C\),   \(80^\circ \, 59’\) an den Tiefpunkten \(A\) und \(B\) und \(61^\circ \, 20’\) am Hochpunkt \(D\).

Die Schalen sind entlang ihren geradlinigen Erzeugenden zweiachsig vorgespannt — hier wird die spezielle Geometrie des hyperbolischen Paraboloids konkret ausgenutzt.

Modell zur Unterstützung der statischen Berechnungen

Um die damals (1964) noch sehr schwierigen und neuartigen statischen Berechnungen für ein Dach dieser Form zu unterstützen, wurde am damaligen Institut für Modellstatik der Universitat Stuttgart ein Modell im Maßstab 3/80 aus Plexiglas hergestellt. Beim Bau der Holzform für dieses Modell wurden die beiden in der Fläche enthaltenen Geradenscharen wesentlich ausgenutzt, wie von Müller und Kayser unter Punkt 3 beschrieben:

Das Modell wurde auf einer Holzform aus Spanplatten angefertigt, die in Richtung einer Erzeugenden hochkant auf einer ebenen Grundplatte aufgestellt waren. Über diese Rippen wurden in Richtung der anderen Erzeugenden dünne, schmale Holzstäbe aufgenagelt. [...] Die beiden Einzelschalen bestanden aus je vier Plexiglasstreifen von 3 mm Dicke, die in warmem Zustand auf der Holzschalung verformt und anschließend beidseitig durch X-Nähte verklebt wurden.

Dieses Modell wurde auch für Versuche im Windkanal am Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren der Universität Stuttgart verwendet.

Im Youtube-Video von Bäderland Hamburg kommt dieses Modell zwischen 1:49 und 2:00 ins Bild.
Das Modell ist (Stand Februar 2022) noch erhalten und im Eingangsbereich des Gebäudes Pfaffenwaldring 7 in Stuttgart ausgestellt, siehe Bild 5.

Eine detaillierte Schilderung der Entstehung und des Einsatzes des Modells findet sich bei Müller und Kayser.

Modell an der Uni Stuttgart Bild 5: Das Stuttgarter Modell.
Modell an der Uni Stuttgart Bild 6: Das Stuttgarter Modell (anderer Blickwinkel).

Die Rolle der speziellen Geometrie beim Bau

Einzelheiten der Bauausführung werden in einer Arbeit von Voßbein und Lehmitz geschildert.

Beim Bau der Verschalung wurden sowohl die im hyperbolischen Paraboloid enthaltenen Geraden als auch gewisse parabelförmige (vertikale) Schnitte ausgenutzt, wie die Bilder aus Voßbein und Lehmitz zeigen:

Fotographie des Schalungsgerüsts Bild 25 aus Voßbein und Lehmitz.
Fotographie des Schalungsgerüsts Bild 26 aus Voßbein und Lehmitz.

Bei Voßbein und Lehmitz findet man auch ein historisches Luftbild der frei stehenden Dachschale (siehe Bild 31) — vor dem Beginn der Bauarbeiten am herkömmlichen Bauteil:
Wegen eines zu erwartenden Einflusses der Setzung der Stütze \(B\) auf die Setzung des benachbarten Sportbeckens erschien es geraten, das Schalentragwerk vor dem herkömmlichen Bauteil fertigzustellen.

Fotographie der Dachschale Bild 31 aus Voßbein und Lehmitz.

Anmerkungen

Die Abbildungen Bild 1 und Bild 2 sind Wikipedia entnommen (Zugriff am 7.2.2022); Autornachweise stehen direkt bei den Bildern.

Die Fotografien des Modells sind eigenes Werk des Autors (Februar 2022).

Die Abbildungen Bild 3 und Bild 4 sind entnommen aus
Leonhardt, Fritz und Schlaich, Jörg: Das Hyparschalen-Dach des Hallenbades Hamburg Sechslingspforte. Teil I: Entwurf und Tragverhalten. Beton- und Stahlbetonbau 65(9) 1970, 207-217.

Müller, R. K., Kayser, R.: Das Hyparschalendach des Hallenbades Hamburg Sechslingspforte. Teil II: Modelluntersuchung. Beton und Stahlbetonbau 65(10) 1970, 245–249.

Die Abbildungen Bild 25, Bild 26 und Bild 31 sind entnommen aus
Voßbein, H.; Lehmitz, K. Das Hyparschalen-Dach des Hallenbades Hamburg Sechslingspforte. Teil III: Bauausführung. Beton und Stahlbetonbau 65(11) 1970, 261-264 (vgl. den Fotonachweis dort).

Vielen Dank an Prof. Dr. Manfred Bischoff für Hinweise auf das Bauwerk und die Herkunft das Modells sowie aufschlussreiche Gespräche über die Bedeutung der Geometrie für die Baustatik.

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