5.2. Rotation und Divergenz

Wir haben in 5.1.5 die Bedingung (¡!) als notwendig (und unter der Voraussetzung eines einfach zusammenhängenden Definitionsgebiets auch als hinreichend) für die Existenz eines Potentials erkannt.

Die als Nächstes definierte Rotation ist (für Felder in höchstens drei Variablen) eine Größe, die noch mehr Information enthält:

5.2.1. Definitionen.

Es sei DRn offen, und g:DRn ein stetig differenzierbares Vektorfeld.

  1. Unter der Divergenz von g an der Stelle a=(a1,,an) versteht man

    divg(a) := j=1nxjgj(a) =(g1)x1(a)++(gn)xn(a).

  2. Im Fall n=3 nennt man

    rotg(a) := (g3y(a)g2z(a)g1z(a)g3x(a)g2x(a)g1y(a))

    die Rotation von g an der Stelle a.

Die Divergenz liefert eine skalare Funktion divg:DR:adivg(a).

Dagegen liefert die Rotation ein Vektorfeld rotg:DR3:arotg(a).

5.2.2. Beispiel.

Das Vektorfeld

g:R3R3: (xyz)(yxzz2)

hat die Divergenz divg(xyz) = 0+0+2z =2z und die Rotation rotg(xyz)=(x0z+1).

5.2.3. Spezialfall.

Jedes ebene Vektorfeld g:DR2 kann man in ein dreidimensionales Vektorfeld einbetten via

g~:D×RR3: (xyz)(g1(xy)g2(xy)0).

Dann ergibt sich rotg~(xyz) =(00g2x(xy)g1y(xy)).

Man schreibt kurz

rotg(xy):=g2x(xy)g1y(xy).

Die hier eingeführte Rotation eines ebenen Vektorfeldes ist also eine skalare Größe.

Mit Hilfe des Begriffs der Rotation können wir unseren Satz 5.1.5 folgendermaßen formulieren:

5.2.4. Satz.

Besitzt das räumliche (oder ebene) Vektorfeld g ein Potential, so gilt rotg(a)=0 für alle a im Definitionsbereich D.

Wenn D einfach zusammenhängend ist, ist die Existenz eines Potentials äquivalent zum Verschwinden der Rotation.

Wenn das Potential existiert, kann man es wie in den oben besprochenen Beispielen bestimmen:
durch Integration mit geeigneten Integrationskonstanten und Vergleich der Ableitungen mit den Komponenten des Gradientenfeldes.

Es gibt auch andere Möglichkeiten: Man kann das Potential auch durch geeignete Kurvenintegrale bestimmen, vgl. 5.3.17.

5.2.5. Bemerkungen.

Wir haben bereits angedeutet, dass man mit Vektorfeldern den Fluss eines Gases oder einer Flüssigkeit modellieren kann.

  1. Man kann die Divergenz als Maß des Flusses nach außen (pro Volumen- und Zeiteinheit, also als Quellstärke) auffassen, die Rotation als ein Maß für die Wirbelbildung.
  2. Man nennt ein Vektorfeld quellenfrei, wenn divg=0 ist, und wirbelfrei, wenn rotg=0 gilt.

Vorsicht: Es gibt auch Felder, in denen offensichtliche Wirbel auftreten, die sich aber nicht in der Rotation bemerkbar machen. Ein Beispiel für ein solches Feld diskutieren wir in 5.3.15, vgl. auch 5.5.5.

5.2.6. Schreibweisen und Merkregeln.

Schreibt man

:=(x1x2x3)

dann schreibt sich formal

divg= g = (x1,x2,x3)(g1g2g3)

Vorsicht: Formale Schreibweisen wie diese sind nur Hilfen, um sich die Definition zu merken, man kann mit diesen Schreibweisen nicht rechnen!

Zum Rechnen muss man diese Operatoren erst an Funktionen auswerten.

5.2.7. Definition.

Der Operator

Δ:= =(x1)2++(xn)2

heißt Laplace-Operator.

Auch diese formale Schreibweise müssen wir zunächst einmal richtig interpretieren:

Dieser Operator ordnet jeder Funktion fC2(D) eine reellwertige Funktion zu, nämlich

Δf:DR: aΔ(f)(a):= fx1x1(a)+fx2x2(a)++fxnxn(a).

Eine Funktion heißt harmonisch, wenn Δf die Nullfunktion ist.

5.2.8. Lemma.

Für jede zweimal stetig partiell differenzierbare Funktion f gilt divgradf=Δf und rotgradf=0.

Die zweite Gleichung hat nur bei maximal drei Variablen einen Sinn.

Für jedes zweimal stetig differenzierbare dreidimensionale Vektorfeld g gilt divrotg=0.

Beweis (als Fingerübung zum Rechnen).

Wir berechnen

divgradf(a) =div(fx1(a)fxn(a)) =fx1x1(a)++fxnxn(a) =Δf(a)

und

divrotg(a) = div((g3)y(a)(g2)z(a)(g1)z(a)(g3)x(a)(g2)x(a)(g1)y(a))

=((g3)yx(g2)zx +(g1)zy(g3)xy +(g2)xz(g1)yz)(a)

=((g3)xy(g2)zx +(g1)yz(g3)xy +(g2)zx(g1)yz)(a) =0.

Hier haben wir den Satz von Schwarz 4.3.10 (und damit die Stetigkeit der zweiten partiellen Ableitungen) verwendet.

Es bleibt noch rotgradf=0 nachzuweisen:

Dies folgt sofort daraus, dass f ein Potential zu gradf ist.

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