2.3. Differentiation von Umkehrfunktionen

2.3.1. Satz.

Es sei f:[a,b]R streng monoton und stetig.

Dann existiert die Umkehrabbildung f1:f([a,b])[a,b] nach 1.13.11.

Ist f an der Stelle x0(a,b) differenzierbar mit f(x0)0, so ist die Umkehrabbildung f1 differenzierbar an der Stelle f(x0), und es gilt ddy00f1(y)|y=f(x0) =1f(x0).

Vorsicht:

Man darf die Umkehrfunktion f1 nicht mit der Funktion 1f verwechseln:

Nach der Quotientenregel hat die Letztere die Ableitung ddx001f(x)|x=x0 =f(x0)f(x0)2.

Geometrischer Beweis der Differentiationsregel für Umkehrfunktionen.

Den Graphen der Umkehrfunktion erhält man durch Spiegeln des Graphen von f an der Winkelhalbierenden.

Dabei wird die Tangente (an den Graph von f) im Punkt (x0,f(x0)) in die Tangente (an den Graph f1) im Punkt (f(x0),x0) übergeführt.

Wir sollten also die Steigung m einer Geraden g={(x,y)R2|(x,y)R2y=mx+ty=mx+t} mit der Steigung m des Spiegelbildes g={(x,y)R2|(x,y)R2y=mx+ty=mx+t} von g in Bezug bringen.

Dazu spiegeln wir die Punkte (0,t),(1,m+t)g und erhalten g als Verbindungsgerade von (t,0) und (m+t,1).

Wir lösen das Gleichungssystem

mt+t=0m(m+t)+t=1

und erhalten m=1m sowie t=tm.

Damit erhalten wir:

Aus der Steigung f(x0) der Tangente an f in (x0,f(x0)) wird die Steigung

ddy00f1(y)|y=f(x0)=1f(x0)

der Tangente an f1 im Punkt (f(x0),x0).

In der folgenden Skizze können Sie interaktiv die Stelle x0 ändern. Das Tangente, das Steigungsdreieck und die Spiegelbilder ändern sich mit.
(Was passiert an den Rändern des Definitionsbereichs a,b ? Bewegen Sie die Stelle x0 auf a bzw. b.)

Der geometrische Beweis ist anschaulich, hat aber das Manko, dass die Differenzierbarkeit der Umkehrfunktion (d.h. die Existenz der Tangente) bereits vorausgesetzt wird.
Abhilfe schafft ein analytischer Beweis.

2.3.2. Beispiel.

Umkehrfunktion arcsin von sin

Die Funktion f:xsinx ist im Intervall [π2,π2] streng monoton wachsend und stetig, außerdem differenzierbar im Innern des Intervalls, mit f(x)=cosx0 für alle x(π2,π2).

Deswegen existiert die Umkehrfunktion f1:[1,1][π2,π2]: xarcsinx.

Satz 2.3.1 ergibt für y0=sin(x0):

ddy00arcsiny|y=y0 =1ddx00sinx|x=x0 =1cosx0 =11(sinx0)2 =11y02.

Wir haben damit gezeigt:
Die Umkehrfunktion Arcussinus (kurz arcsin) des Sinus ist definiert im Intervall [1,1] und differenzierbar im Innern (1,1) dieses Intervalls, dort gilt

ddxarcsinx =11x2.

2.3.3. Beispiel.

Der Sinus hyperbolicus sinh:RR ist streng monoton wachsend, stetig und weder nach oben noch nach unten beschränkt, also invertierbar.

Die Umkehrfunktion heißt Areasinus hyperbolicus, bezeichnet mit arsinh.

Aus

(sinhx)2=(12(exex2))2 =14(e2x2+e2x)

(coshx)2=(12(ex+ex2))2 =14(e2x+2+e2x)

ergibt sich die Beziehung (coshx)2(sinhx)2=1

Damit erhalten wir die Ableitung von arsinh bei y0=sinh(x0) als

ddy00arsinhy|y=y0 =1sinhx0 =1coshx0 =11+(sinhx0)2 =11+y02.

Wir haben damit eingesehen:

arsinhx=11+x2

Mit analogen Methoden zeigt man:

2.3.4. Beispiele.

Für die Umkehrfunktion arctan:R(π2,π2) von tan:(π2,π2)R gilt arctanx=11+x2.

Die Umkehrfunktion ln:R+R der Exponentialfunktion exp:RR+ hat die Ableitung ln(x)=1x.

Diese Ergebnisse sind sehr wertvoll beim Integrieren.

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