1.12. Rechenregeln für Funktionsgrenzwerte

Wie bei Folgen und Reihen (vgl. 1.5.3 und 1.9.3) wollen wir auch das Verhalten von Funktionsgrenzwerten verstehen, wenn wir Funktionen addieren, multiplizieren, dividieren oder gegeneinander abschätzen.

1.12.1. Grenzwertsätze für Funktionen (von rechts).

Existieren limxx0+0f(x) und limxx0+0g(x) (als reelle Zahlen!), so gilt:

  1. limxx0+0(f(x)+g(x))=limxx0+0f(x)+limxx0+0g(x).
  2. limxx0+0(cf(x))=climxx0+0f(x) für jede reelle Zahl c.
  3. limxx0+0(f(x)g(x))=limxx0+0f(x)limxx0+0g(x).
  4. limxx0+0f(x)g(x)=limxx0+0f(x)limxx0+0g(x), falls limxx0+0g(x)0.
  5. limxx0+0f(x)limxx0+0g(x) falls xM:f(x)g(x).
  6. limxx0+0|f(x)|=|limxx0+0f(x)|
  7. Existiert außer a:=limxx0+0f(x) auch der Grenzwert limxag(x), so gilt auch limxx0+0g(f(x))=limtag(t).

1.12.2. Grenzwertsätze für Funktionen (allgemein).

Es gilt

  1. limxx00f(x)=limtx0+0f(2x0t),
  2. limx+f(x)=limt0+0f(1t),
  3. limxf(x)=limt00f(1t).

Damit lassen sich die Aussagen von 1.12.1 übertragen auf Grenzwerte von links, beidseitige Grenzwerte, und Grenzwerte im Unendlichen.

1.12.3. Stetigkeit von Polynomfunktionen.

Es sei f(x)=j=0najxj=a0+a1x++anxn. Dann gilt limxx0f(x) =limxx0j=0najxj =j=0nlimxx0ajxj =j=0najlimxx0xj =j=0naj(limxx0x)j =j=0najx0j =f(x0).

Daraus folgt, dass jedes Polynom an jeder Stelle stetig ist.

Man kann aus bereits als stetig bekannten Funktionen neue stetige Funktionen gewinnen:

1.12.4. Satz.

Es seien f und g reellwertige Funktionen, die auf dem gemeinsamen Definitionsbereich M stetig sind.

Dann sind die folgenden Funktionen stetig auf M:

  1. f+g:MR:xf(x)+g(x)
  2. fg:MR:xf(x)g(x)
  3. Gilt g(x)0 für alle xM, so ist auch fg:MR:xf(x)g(x) stetig.
  4. Ist h:LR stetig und gilt f(M)L, so ist auch die durch Hintereinanderausführung entstehende Funktion hf:MR:xh(f(x)) stetig.

Die folgende Skizze veranschaulicht den Beweis der Stetigkeit der Verkettung hf:

Im x-y-Koordinatensystem sieht man den Graph von f und die Umgebungen Uδ(x0) (in grün) sowie Uγ(f(x0)) (in blau).

im y-z-System den Graph von h und die Umgebungen Uγ(f(x0)) (immer noch blau) sowie Uε(h(f(x0))) (in gelb).

Wenn ε verkleinert wird, muss man natürlich γ und dann auch δ anpassen:

Als Extra hier die interaktive Version:

1.12.5. Beispiel.

Wir wollen limx0sinxx und limx0tanxx verstehen.

Wegen limx0sinx=0=limx0tanx=limx0x und haben beide Ausdrücke die Form 00, man kann also die Grenzwertsätze nicht direkt anwenden.

Wir benutzen die Ungleichungen 0<x<π2sinx<x<tanx. Anschaulich wird diese Relation an folgender Skizze (hier ist x die Länge des gestrichelten Bogens):

Auch zu diesem Bildchen gibt es eine interaktive Version.

Für 0<x<π2 gilt sinxx<1 und 1<tanxx=sinxxcosx, also cosx<sinxx.

Damit erhalten wir ein „Sandwich” cosx<sinxx<1.

Nun gilt limx0+0cosx=1=limx0+01, wie im Sandwichsatz 1.5.6 konvergiert also auch der mittlere Term, und wir schließen limx0+0sinxx=1.

Als Grenzwert von links erhalten wir limx0+0sin(x)x=limx0+0sinxx, also gilt insgesamt limx0sinxx=1.

Den zweiten gesuchten Grenzwert erhalten wir nun aus limx0tanxx=limx0(sinxx1cosx)=1.

1.12.6. Beispiel.

Der Ausdruck limx+(x+2x8) ist von der Form . Man findet den Grenzwert durch die folgende Erweiterung: limx+(x+2x8) =limx+(x+2x8)(x+2+x8)(x+2+x8) =limx+x+2(x8)(x+2+x8) =limx+10(x+2+x8) =0.

Die Erweiterung entspricht dem (aus der Schule bekannten) “Rational-Machen des Nenners” - nur dass wir hier den Zähler rational machen.

1.12.7. Beispiel.

Der Ausdruck limx01cosxx ist von der Form 00.

Durch Erweiterung erhält man: limx01cosxx =limx0(1cosx)(1+cosx)x(1+cosx) =limx01(cosx)2x(1+cosx) =limx0sinxxsinx1+cosx =limx0sinxxlimx0(sinx)limx0(1+cosx) =102 =0.

Auch der Ausdruck limx01cosxx2 ist von der Form 00.

Durch Erweiterung erhält man hier: limx01cosxx2 =limx0(1cosx)(1+cosx)x2(1+cosx) =limx01(cosx)2x2(1+cosx) =limx0(sinxx)211+cosx =1212 =12.

1.12.8. Beispiel.

Der Ausdruck limx+sin(x2)x ist von der Form Gezappel.

Man kann ihn mit Hilfe der Sandwich-Abschätzung 0|sin(x2)|1 berechnen:

Für x>0 ergibt sich daraus nämlich 0|sin(x2)x|1x.

Die linke und die rechte Seite konvergieren mit x+ beide gegen 0, also auch der Ausdruck in der Mitte: limx+sin(x2)x=0.

Datenschutz  *  Impressum