1.8 Reihen

1.8.1. Definition

Es sei (an)nN eine Folge reeller Zahlen. Wir schreiben Sn:=j=1naj für die Summe der ersten n Folgenglieder.

Die damit definierte Folge (Sn)nN nennt man eine (unendliche Reihe, oft schreibt man j=1aj, und meint damit zunächst die Folge (Sn)nN.

Unendlich ist die Zahl der Summanden, aber nicht unbedingt die Summe der Reihe.

Man nennt Sn die n-te Partialsumme der Reihe j=1aj.

Falls die Folge (Sn)nN konvergiert, nennt man die Reihe konvergent, und bezeichnet den Grenzwert als den Wert oder die Summe der Reihe.

Man schreibt dann

j=1aj:=limnSn

(obwohl wir diese Bezeichnung eigentlich schon vergeben haben).

Wenn die Folge (Sn)nN nicht konvergiert, nennt man die Reihe divergent.

1.8.2 Beispiel

Die Reihe j=11j2 ist konvergent.

Wir müssen zeigen, dass die Folge (Sn)nN der Partialsummen Sn:=j=1n1j2 konvergent ist. Dazu verwenden wir das Cauchysche Konvergenzkriterium: Wegen

1j2<1j2j=1j(j1)=j(j1)j(j1)=1j11j

ergibt sich für k>:

|SkS|=j=+1k1j2<j=+1k(1j11j)=11+1+1+11+2++1k11k=11k.

Man wählt nεN so, dass 1nε<ε gilt, und erhält für k>>nε die Abschätzung

|SkS|<11k<1<1nε<ε,

wie verlangt.

1.8.3. Bemerkung

Die Summe der Reihe j=11j2 (also der Grenzwert der Folge (j=1n1j2)nN der Partialsummen) ist j=11j2=π26.

Dies zu beweisen, übersteigt unsere derzeitigen Möglichkeiten.

1.8.4 Beispiel

Die geometrische Reihe ist gegeben durch j=0qj.

Die Summation beginnt bei j=0, nicht bei j=1: Das ergibt eine hübschere Formel für die Summe der Reihe.

Für |q|<1 gilt j=0qj=11q.

Beweis der Formel j=0qj=11q für |q|<1.

Wir berechnen

(1q)j=0nqj=j=0nqjj=0nqj+1=j=0nqj=1n+1q=1+q1+q2++qn1q1q2qnqn+1=1qn+1.

Daraus folgt j=0nqj=1qn+11q=11qqn+11q.

Für |q|<1 gilt limnqn=0 nach 1.5.8, und die Behauptung folgt.

1.8.5. Beispiel

Wir betrachten die Folge der Partialsummen

h1:=11,h2:=11+12,h3:=11+12+13,hn:=11+12+13++1n.

Diese bilden die harmonische Reihe.

Die harmonische Reihe ist nicht konvergent, die Partialsummen wachsen über jede vorgegebene Grenze hinaus.

Um das einzusehen, schätzen wir geeignete Partialsummen nach unten ab (um recht widerwärtige Hauptnenner zu vermeiden):

Für die 2n-te Partialsumme h2n ergibt sich

h2n=1+12+(13+14)+(15+16+17+18)++(12n1+1+12n1+2++12n)>1+12+12+12++12=1+n2

— und das wird offenbar beliebig groß!

Man benutzt die harmonische Reihe vor allem dazu, die Divergenz anderer Reihen nachzuweisen (vgl. 1.9.12).

1.8.6 Beispiel

Die Exponentialreihe ist gegeben als j=01j! (wir summieren ab j=0).

Weil die Summanden 1j! alle positiv sind, ist die Folge der Partialsummen Sn=j=0n1j! streng monoton wachsend.

Die Abschätzung () im Beweis von 1.2.8 besagt j=0n1j!<3, also gerade Sn<3.

Damit ist gezeigt, dass diese Folge beschränkt ist.

Nach dem Satz von Bolzano und Weierstraß 1.6.5 ist die Folge (Sn)nN der Partialsummen (und damit die Reihe j=01j!) konvergent.

1.8.7 Bemerkung

In 1.2.8 haben wir die Monotonie und Beschränktheit (und damit die Konvergenz) der Folge ((1+1n)n)nN nachgewiesen.

Dem Grenzwert dieser Folge haben wir den Namen Eulersche Zahl e gegeben.

Man kann beweisen, dass auch e=j=01j! gilt.

Unsere Abschätzungen im Beweisgang in 1.2.8 haben also mehrmals vergröbert, im Endeffekt aber nichts an Genauigkeit verschenkt!

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