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Die Funktionen \(f\) und \(g\) seien an der Stelle \(x_0\) differenzierbar.
Dann sind auch \(f + g\) und \(f \cdot g\) an der Stelle \(x_0\) differenzierbar, und es gilt:
Mit Hilfe der Summenregel, des Spezialfalls der Produktregel und des Resultats
\( \frac{\diff}{\diff x}\,x^n=n\,x^{n-1} \)
können wir beliebige Polynome ableiten:\( \frac{\diff}{\diff x}\sum\limits_{j=0}^n a_j\,x^j \) \({} = 0 + \sum\limits_{j=1}^n \frac{\diff}{\diff x}\left(a_j\,x^j\right) \) \({} = \sum\limits_{j=1}^n \frac{\diff}{\diff x}\left(a_j\,x^j\right) \) \({} = \sum\limits_{j=1}^n a_j\,\frac{\diff}{\diff x}x^j \) \({} = \sum\limits_{j=1}^n j\,a_j\,x^{j-1} \ \mathbin{\mathop{=}\limits_{[\color{red}{k:=j-1}]}} \sum\limits_{k=0}^{n-1} (k+1)\,a_{k+1}\,x^k \).
Es sei \( g\colon I\to\RR \) differenzierbar an der Stelle \(x_0\in I\), und \( f\colon g(I)\to\RR \) differenzierbar an der Stelle \(g(x_0)\).
Dann ist \( f\circ g\colon I\to\RR \) differenzierbar an der Stelle \(x_0\), und es gilt:
\( (f\circ g)'(x_0^{}) \pause % = f'\bigl(g(x_0^{})\bigr)\cdot g'(x_0^{}) \).
Andere Schreibweise:
\(
\diffAt{f\bigl(g(x)\bigr)}{ x}{x_0^{}}
\)
\({}
= \left(\diffAt{f(y)}{ y}{g(x_0^{})}\right)\cdot %
\left(\diffAt{g(x)}{ x}{x_0^{}}\right) %
\).
Man nennt \( f'\bigl(g(x_0^{})\bigr) \) die äußere Ableitung und \( g'(x_0^{}) \) die innere Ableitung.
Die Ableitung einer Komposition ergibt sich als äußere Ableitung mal innere Ableitung.
Die Ableitungen vieler gebräuchlicher Funktionen findet man in Tabellenwerken wie etwa dem von Bronstein.
Besonders fundamental sind:
\( f(x) \) | \( x^a \) | \( \E^x \) | \( \ln|x| \) | \( b^x \) | \( \sin x \) | \( \cos x \) | |
\( \frac{\diff}{\diff x}\,f(x) \) | \( a\cdot x^{a-1} \) | \( \E^x \) | \( \dfrac1x \) | \( (\ln b) b^x \) | \( \cos x \) | \( \sin x \) | |
DGL | \( x\,f'=a\,f \) | \( f'=f \) | \( x\,f'=1 \) | \( f'=c\,f \) | \( f''=-f \) |
\( f(x) \) | \( \tan x \) | \( \arctan x \) | \( \sinh x = \frac{\E^x-\E^{-x}}2 \) | \( \cosh x \) | |||
\( \frac{\diff}{\diff x}\,f(x) \) | \( \dfrac1{(\cos x)^2} \) | \( \dfrac1{1+x^2} \) | \( \cosh x = \frac{\E^x+\E^{-x}}2 \) | \( \sinh x \) | |||
DGL | \( f'=1+{f^2} \) | \( \) | \( f''=f \) |
Hier sind \(a\) und \(b\) reelle Konstanten mit \(a\ne0 \), \(b \gt 0\) und \(c := \ln(b)\).
Die Funktionen in der Tabelle lösen die jeweils dazu angegebenen (recht grundlegenden) Differentialgleichungen.
Dies mag als weitere Rechtfertigung für die Auswahl dienen.
Im Weiteren berechnen wir die in der Tabelle aufgeführten Ableitungen, und zeigen, wie man mit Hilfe der Tabelle die Ableitungen weiterer Funktionen ermittelt.
Dabei werden wir die beiden fundamentalen Resultate über die Ableitungen \( \frac{\diff}{\diff x}\,\exp x = \exp x \) und \( \frac{\diff}{\diff x}\,\ln x = \frac1x \) bis auf Weiteres ohne Beweis verwenden.
Wir erinnern an die Definition der allgemeinen Potenzen:
Es seien \(a , b \in \RR\) mit \(b \gt 0\).
Man setzt \( b^a := \E^{ a\ln b} = \exp(a\ln(b)) \).
Daraus ergeben sich (mit Hilfe der Funktionalgleichung für die Exponentialfunktion, siehe 1.14.12) die Potenzgesetze:
\( b^{a+c} = b^a \, b^c \),
\( (b^a)^c = b^{(ac)} \).
Man bevorzugt die Eulersche Zahl \(\E\) als Basis für Potenzen, weil die Funktion \( x\mapsto \E^x \) mit ihrer eigenen Ableitung übereinstimmt.
Es sei \( f\colon(0,+\infty)\to\RR\colon{} x\mapsto x^a \) die Potenzfunktion.
Wir berechnen die Ableitung mit der Kettenregel:
\( \frac{\diff}{\diff x} \, x^a \) \({} = \frac{\diff}{\diff x} \, \exp(a\,\ln x) \) \({} = \exp(a\,\ln x)\cdot \frac{\diff}{\diff x}(a\,\ln x) \)
[wg. \(\frac{\diff}{\diff x}\exp x=\exp x\)]
\({} = \exp(a\,\ln x)\cdot a\cdot \frac{\diff}{\diff x}\ln x \)
\({} = \exp(a\,\ln x)\cdot a\cdot\frac1x \)
\({} = a\cdot{\exp(a\,\ln x)}\cdot\exp(-\ln x) \) \({} = a\cdot\exp(a\,\ln x-\ln x) \) \({} = a\cdot\exp\bigl((a-1)\,\ln x\bigr) \)
\({} = a\,x^{a-1} \).
Es sei \( f\colon\RR\to \RR \colon x\mapsto b^x \) mit \(b \gt 0\).
Wegen \( b^x = \exp(x\,\ln b) \) erhalten wir:
\( f'(x) = \frac{\diff}{\diff x}\exp(x\,\ln b) \) \({} = \exp(x\,\ln b)\cdot\frac{\diff}{\diff x}(x\,\ln b) \) \({} = \exp(x\,\ln b)\cdot \ln b \) \({} = b^x \cdot\ln b \).
Die Ableitung von \( \tan\colon\left(-\frac\pi2,\frac\pi2\right)\to\RR\colon x\mapsto \frac{\sin x}{\cos x} \) bestimmen wir mit der Quotientenregel:
\( \frac{\diff}{\diff x}\,\left(\dfrac{\sin x}{\cos x} \right) \) \({} = \dfrac{\sin' x\cdot \cos x - \sin x\cdot\cos' x}{(\cos x)^2} \) \({} = \dfrac{(\cos x)^2 \color{red}{+} (\sin x)^2}{(\cos x)^2} \) \({} = \dfrac{1}{(\cos x)^2} \).
Der Sinus hyperbolicus ist definiert als \( \sinh x := \frac12 \bigl( \E^x - \E^{-x} \bigr) \);
der Cosinus hyperbolicus als \( \cosh x := \frac12 \bigl( \E^x + \E^{-x} \bigr) \).
Was diese beiden Funktionen mit einer Hyperbel zu tun haben (also: warum die "hyperbolicus" heißen), finden Sie hier.
In der folgenden Skizze können Sie die Stellen \(a\) und \(b\) bewegen und verfolgen, wie sich (im linken Koordinatensystem) der Graph der Summe \(\E^x+\E^{-x}\) und (im rechten Koordinatensystem) der Graph der Differenz \(\E^x-\E^{-x}\) entwickelt.
Im mittleren System sehen Sie dann die beiden Graphen mit angedeutet (punktiert); die Graphen von \(\cosh(x)\) und \(\sinh(x)\) ergeben sich durch Halbieren.
Man rechnet direkt nach:
\( \frac{\diff}{\diff x}\,\sinh x \) \({} = \frac12 \bigl( \E^x - (-\E^{-x}) \bigr) \) \({} = \cosh x \)
und
\( \frac{\diff}{\diff x}\,\cosh x \) \({} = \frac12 \bigl( \E^x + (-\E^{-x}) \bigr) \) \({} = \sinh x \).
Die Kettenregel liefert
Zweimalige Anwendung der Kettenregel:
[Man benutzt \( \ln\bigl(1+(1+x^2)^4\bigr) = \ln\bigl(q(p(x))\bigr) \) mit \(q(x):=1+x^4\) und \(p(x):=1+x^2 \).]
Die Zerlegung als Produkt von drei Faktoren, die wir hier erhalten, ist sehr wertvoll, wenn man nach Nullstellen der Ableitung sucht.
Man könnte hier natürlich auch \( 1 + (1+x^2)^4 \) \({} = 2 + 4\,x^2+6\,x^4+4\,x^6+x^8 \) ausmultiplizieren und dann die Kettenregel nur einmal anwenden: die Faktoren muss man dann aber mühsam suchen.
So lange die Ableitungsfunktion jeweils wieder differenzierbar ist, kann man induktiv definieren:
\( f^{\color{red}{(n)}}(x) := \frac{\diff}{\diff x}\,f^{(n-1)} (x) \),
man schreibt auch
\( \color{red}{\left(\frac{\diff}{\diff x}\right)^n}\,f(x) := f^{(n)}(x) \).
Dabei setzt man \( \color{red}{f^{(0)}:=f} \).
Man nennt \( f\colon I\to\RR \) stetig differenzierbar in \(I\) , wenn \(f\) differenzierbar und \(f'\) stetig in \(I\) ist.
Die Funktion \(f\) heißt (mindestens) \(n\)-mal stetig differenzierbar in \(I\) , wenn die höheren Ableitungen \(f^{ (j )}\) für \( 0\le j\le n \) existieren und \(f^{(n)}\) stetig ist.
Ist \(f\) für jedes \(n\in\NN\) mindestens \(n\)-mal stetig differenzierbar,
so nennt man \(f\) beliebig oft differenzierbar
(manche nennen solche Funktionen auch unendlich oft differenzierbar).
Wiederholtes Differenzieren liefert (für alle \(n\in\NN\)):
(hier ist \( x \gt 0 \) angenommen).
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