1.4 Konvergente und divergente Folgen

1.4.1. Definition

Eine Folge (an)nN reeller Zahlen heißt konvergent gegen den Grenzwert a, wenn es zu jedem ε>0 eine natürliche Zahl nε so gibt, dass für alle natürlichen Zahlen n mit n>nε gilt:

|aan|<ε.

Man nennt den Grenzwert auch Limes der Folge, und schreibt

a=limnan.

Man sagt dann auch: Die Folge (an)nN konvergiert gegen a.

Wenn es kein reelles a gibt, gegen das die Folge konvergiert, nennt man die Folge divergent.

In Quantoren ausgedrückt, lautet die Bedingung für Konvergenz gegen a:

ε>0nεNn>nε:|aan|<ε.

Wenn eine Folge nicht konvergiert, so wird sie doch wenigstens Häufungspunkte haben.

Man bezeichnet mit limnan (Limes superior) den größten Häufungspunkt der Folge (an)nN.

Mit limnan (Limes inferior) wird der kleinste Häufungspunkt bezeichnet.

In beiden Fällen muss man auch uneigentliche Häufungspunkte (also + und ) in Betracht ziehen!

1.4.2. Beispiel

Die Folge (1n)nN konvergiert gegen 0.

Nach dem Archimedischen Prinzip 0.2.3 gibt es zu jedem ε>0 eine natürliche Zahl nε mit nε>1ε.

Für alle n>nε gilt nun

1n<1nε<11ε=ε.

Also gilt für alle n>nε:

|01n|=1n<ε.

Damit haben wir limn1n=0 bewiesen.

1.4.3. Beispiel

  1. Es gilt limnnn+1=1.

    Zu jedem beliebigen ε>0 gibt es nεN mit 1+nε>1ε.

    Für n>nε gilt nun 1+n>1+nε und damit

    ε>11+nε>11+n=|11+n|=|1+nn1+n|=|1+n1+nnn+1|=|1n1+n|.

    Damit haben wir die Konvergenz nachgewiesen.

  2. Die Folge (n+1n)nN konvergiert gegen 0.

    Wir erweitern:

    n+1n=(n+1n)(n+1+n)n+1+n=n+1nn+1+n=1n+1+n.

    Da der Nenner des rechts stehenden Ausdrucks über alle Grenzen wächst, konvergiert die Folge gegen 0.

    Direkt auf die Definition 1.4.1 zurückgeführt:

    Man wählt nε>1ε2, dann gilt

    n>nε:|(n+1n)0|=1n+1+n<1n<ε.

Indem man etwa die beiden eben betrachteten Folgen mischt, kann man divergente Folgen mit unterschiedlichen Häufungspunkten erzeugen.

1.4.4. Definition

Für ε>0 und aR definiert man

Uε(a):={xR|xR|xa|<ε|xa|<ε}.

Man nennt Uε(a) die ε-Umgebung von a.

Man kann solche Umgebungen auch in C definieren, dann erhält man das Innere des Kreises vom Radius ε um a (vgl. die rechte Skizze).

1.4.5. Lemma

Eine Folge (an)nN konvergiert genau dann gegen a, wenn in jeder ε-Umgebung von a alle Folgenglieder bis auf endlich viele Ausnahmen liegen.

1.4.6. Definition

Statt alle bis auf endlich viele Ausnahmen sagt man auch fast alle.

1.4.7. Bemerkung

Damit haben wir den Gebrauch der Formulierung fast alle mathematisch präzisiert:
Wenn jedes tausendste Folgenglied nicht in einer gegebenen Umgebung liegt, liegen im hier definierten Sinn nicht fast alle Glieder in dieser Umgebung, denn es liegen ja noch unendlich viele draußen!

Als direkte Umformulierung von 1.4.5 erhalten wir:

1.4.8. Lemma

Eine reelle Folge ist genau dann divergent, wenn es zu jeder reellen Zahl a ein ε>0 so gibt, dass unendlich viele Folgenglieder außerhalb von Uε(a) liegen.

1.4.9. Beispiel

Die Folge ((1)n)nN ist divergent.

Zu jedem aR gibt es ein ε>0 so, dass unendlich viele Folgenglieder nicht in Uε(a) liegen:

Wir können etwa ε=12 nehmen.

Es gibt Folgen, die deswegen divergent sind, weil sie ziellos in R herumirren.

Andere scheinen dagegen ein klares Ziel zu haben, das nur leider nicht im Reellen liegt:

1.4.10. Definition

Es sei (an)nN eine Folge reeller Zahlen.

Man sagt die Folge strebt gegen +, wenn es zu jeder reellen Zahl s eine natürliche Zahl ns so gibt, dass für alle n>ns gilt: an>s.

Mit anderen Worten: Fast alle Folgenglieder sind größer als s.

Man schreibt in diesem Fall limnan=+.

Vorsicht:

Es gibt keinen reellen Grenzwert, die Folge ist nicht konvergent!

Analog sagt man die Folge strebt gegen (und schreibt limnan=), wenn für jede reelle Zahl s fast alle Folgenglieder kleiner als s sind.

Folgen, die gegen + oder gegen streben, nennt man auch bestimmt divergent (gegen + bzw. ).

1.4.11. Beispiele

Es sei (xn)nN eine Folge reeller Zahlen.

  1. Wenn die Folge konvergiert, dann konvergiert auch jede Teilfolge.
  2. Eine reelle Zahl a ist genau dann Häufungspunkt der Folge, wenn es eine gegen a konvergente Teilfolge gibt.
  3. Die Folge häuft sich bei + oder genau dann, wenn es eine entsprechende bestimmt divergente Teilfolge gibt.
  4. Die Folge konvergiert genau dann, wenn sie nur einen einzigen Häufungspunkt hat und dieser reell ist.

    In diesem Fall gilt limnxn=limnxn, dieser Wert ist reell, und er stimmt mit dem Grenzwert überein.

  5. Die Folge ist genau dann bestimmt divergent, wenn sie nur einen einzigen Häufungspunkt hat und dieser nicht reell ist.

    (Dieser Häufungspunkt ist also oder +).

    In diesem Fall gilt wieder limnxn=limnxn, aber dieser Wert liegt jetzt in {,+}.

1.4.12. Beispiele

Eine divergente Folge kann durchaus konvergente Teilfolgen haben.

  1. an=n liefert eine bestimmt divergente Folge (an)nN (diese strebt gegen +, keine Teilfolge konvergiert).
  2. bn=(1)nn liefert eine divergente Folge (bn)nN:

    Es gilt limnbn=+, limnbn=, (diese strebt gegen +, keine Teilfolge konvergiert.

  3. cn=1+(1)n liefert eine divergente Folge (cn)nN:

    Es gilt limncn=2, limncn=0, konvergente Teilfolgen sind z.B. (c2k)kN und (c2k+1)kN, mit limkc2k=2 und limkc2k+1=0.

  4. dn=(1(1)n)n liefert eine divergente Folge (dn)nN:

    Es gilt limndn=+, limndn=0; die Teilfolge (d2k)kN konvergiert.

1.4.13 Beispiel

Wenn man endlich viele konvergente Teilfolgen einer Folge (an)nN derart gefunden hat, dass jeder Index nN als Index in wenigstens einer dieser Teilfolgen verwendet wird, dann ist die Menge aller Häufungspunkte der Folge genau die Menge der Grenzwerte dieser Teilfolgen.

  1. In der durch an=1n+cos(nπ2) gegebenen Folge haben wir die vier Teilfolgen (a4k)kN, (a4k3)kN, (a4k2)kN, (a4k1)kN.

    Diese konvergieren gegen 1, gegen 0, gegen 1 und gegen 0.

    Die Menge aller Häufungspunkte der Folge ist {1,0,1}.

  2. Das Verfahren klappt nicht bei allen Folgen.

    Zum Beispiel hat die Folge (sin(n))nN unendlich viele Häufungspunkte:

    Jeder Punkt im Intervall [1,1] ist Häufungspunkt (aber das ist schwer zu beweisen).

Das Konvergenzverhalten einer Folge reeller Zahlen ändert sich nicht, wenn man endlich viele Folgenglieder ändert oder ganz entfernt.

Insbesondere gilt:

1.4.14. Endstücke konvergenter Folgen

Es sei (an)nN eine Folge reeller Zahlen.

Wir betrachten die Teilfolge (aN+k)kN:

aN+1,aN+2,aN+3,

Die Folge (an)nN konvergiert genau dann, wenn die Teilfolge (das Endstück) (aN+k)kN konvergiert.

Der Grenzwert ist dann derselbe.

Man schreibt limn>Nan=limkaN+k.

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